Close Sidebar

Vocal Poetry der Jetztzeit

Gabriele Hasler  Stimme, Klavier, Lyrik, Komposition

In ihrem neuen Soloprogramm „im bauch der vokale“ stellt Gabriele Hasler das Wort ins klangliche Zentrum.

Eigene Lyrik, Lautpoesie und Grenzgedichte werden vertont und führen zu überraschenden Improvisationen. Prosatexte berichten von verwirrenden Alltagsbeobachtungen. Was z. B. bedeutet „Deutsche Aktenvernichtung“?
Das reiche klangliche Spektrum ihrer Stimme, die Präsenz und der Humor der Vokalpoetin erzeugen eine große sinnliche Ausdruckskraft.

Als ergänzender Klangerzeuger dient das Klavier.

Die im Sommer 2013 erschienene gleichnamige CD erhielt den Preis der deutschen Schallplattenkritik in der Sparte „Genzgänge“.

Technische Voraussetzung: Tonanlage, Klavier/Flügel

“Im bauch der vokale”
FOOLISH MUSIC, 2013 (FM 211 113)
Gabriele Hasler Stimme(n), Piano, Dulcetina, diverse Klangerzeuger, Komposition, Lyrik
vocal poetry
Preis der Deutschen Schallplattenkritik Bestenliste 4/2013
18 € incl. Versand.

CD-Bestellen
Website zur CD

Rezension Jazzthetik 2-14, S.1 als PDF

Rezension Jazzthetik 2-14, S.2 als PDF

Rezension Jazzpodium 5-14 als PDF

Interview Melodiva
veröffentlicht April 2014
www.melodiva.de

Gabriele Hasler, Jazzmusikerin und Klang-Expertin

Dein Werdegang und Deine künstlerische Karriere sind sehr beeindruckend, besonders in einem Musikbereich, der nicht als populär gilt. Dazu gehört sicher ein sehr starkes Überzeugtsein von der eigenen Kunst und dem starken Willen, seine Kunst ausdrücken zu wollen. Gab es Stationen und Menschen, die Dir auf diesem Weg geholfen haben?

Ja, es gab von Anfang an Anerkennung und Wertschätzung für meine Musik. Als ich in den 80er Jahren anfing, hatte ich auch jahrelang ein ziemliches Monopol, es gab einfach so gut wie keine anderen deutschen Sängerinnen, die zeitgenössischen oder gar experimentellen Jazz machten. Es gab auch noch keinerlei Ausbildungsmöglichkeiten für vokalen Jazz… Für meine zweite LP „God Is A She“ bekam ich den SWF Jazzpreis von Joachim Ernst Berendt, der mich sehr unterstützte. Ich wurde zu sämtlichen wichtigen Festivals eingeladen und vom Goethe Institut nach Nordafrika und Südasien auf Tour geschickt. Rundfunkredakteure wie z. B. Uli Olshausen vom HR, Michael Naura vom NDR oder Manfred Niehaus vom WDR begleiteten und unterstützten meine Entwicklung. Es gab damals keine Rundfunkredakteurinnen im Bereich Jazz. Auch so gut wie keine Journalistin, die über Jazz und Improvisierte Musik schrieb.

Du unterrichtest auch viel, hast eine eigene Schule gegründet, das Creativ Vocal Centre, leitest in Bremen den Improchor und hast eigene Techniken entwickelt wie “Sound Poetry und Feldimprovisationen à la Gabriele Hasler”. Kannst Du uns darüber etwas erzählen?

Ich habe von Anfang an viel unterrichtet, als Dozentin bei Jazzworkshops und privat, auch an der Universität Oldenburg und an der Musikhochschule Frankfurt. Neben dem „klassischen“ Jazz war es mir immer wichtig, andere Wege zu erforschen und zu zeigen, mit der Stimme zu improvisieren. Wichtig dabei waren auch Texte, Lautpoesie, Lyrik. Von 1993 bis zu seinem Tod 2006 arbeitete ich eng mit dem Dichter Oskar Pastior zusammen und habe sehr viel von ihm gelernt über die Klanglichkeit von Sprache.
Beim „Creative Vocal Centre“ ging es mir noch um die Ausbildung einzelner SängerInnen. Mit dem „Klangbad“ – Konzept und dem Improchor verfolge ich inzwischen allerdings hauptsächlich den Weg vokaler Gruppenimprovisation. Es gibt so etwas wie vokale Schwarmintelligenz. Ich verwende Circlesinging, vocal poetry, minimal Konzepte, Feldimprovisationen. Die Teilnehmenden geraten dabei wie von selbst in den „Lauschmodus“. Improvisation ist für mich inzwischen eine Art zu leben und zu sein. So betrachtet kann ich mit jedem und jeder arbeiten, die Lust hat, an einer solchen Gruppe teilzunehmen. Stimme hat jede und jeder.

Du improvisierst und experimentierst mit Deiner Stimme und Klängen, macht es Dir auch Spass, einen Song, eine Melodie zu singen? Und wie würdest Du den Unterschied beschreiben?

Ja klar singe ich sehr gerne auch Songs und Melodien. So habe ich beispielsweise mit dem Altsaxophonisten Roger Hanschel zusammen eine CD mit und nach Liedern von John Dowland aufgenommen („Lovesongs“ Foolish Music 211003). Ich singe auch sehr gerne Jazzstandards und kann unglaublich viele mit Text auswendig… Das ist wie in der bildenden Kunst: manchmal habe ich eine abstrakte Phase und dann wirds wieder gegenständlicher.

Im letzten August veröffentlichte Gabriele Hasler ihre neue Solo CD „im bauch der vokale“, auf der sie sich erstmalig auch am Klavier begleitet. Außerdem verwendet sie eine Dulcetina (Harmonium), Porzellanscherben und Loops. Die Kompositionen und Improvisationen entstanden nach eigenen lyrischen Texten.

Haben sich die Stücke auf Deiner CD im Laufe der Zeit angesammelt, oder sind sie erst bei der Produktion entstanden?

Ein Teil der Stücke ist im Laufe der letzten Jahre entstanden, z.B. „Planting My Tomatoes“. Es gibt ja leider viel zu wenig Kompositionen zum Thema Obst und Gemüse. „Sunday“ ist ein altes Stück von mir, das ich gerelaunched habe. Und einige Stücke entstanden im Studio nach den mitgebrachten Texten, z.B. „honigmilch“.

Im Bauch der Vokale ist ein schöner Titel, der zu Deinen Stücken führt. Du singst über das Wachsen des Bärlauchs, Deine Tochter als Künstlerkind, Deine Mutter, Silben und Wörter, einen Sonntag und die Gebrauchsanleitung für eine japanische Digitaluhr, daraus spricht auch eine gehörige Portion Humor und Witz. Ich stelle mir vor, dass Du Dich beim Entstehen Deiner Stücke vielseitig inspirieren lässt, von Texten, Stimmungen, Gegenständen, Geräuschen etc. Braucht es bestimmte Räume, Bedingungen dafür?

Es braucht den Lauschmodus, also eine bestimmte innere Haltung und Offenheit, dann kann eigentlich alles Auslöser für einen Text oder eine Komposition werden. Eine alltägliche Beobachtung, ein aufgeschnappter Satz, ein erlauschtes Vogel – Frühlings – Motiv, der rhythmische Tanz der Straßenbahnen am Hauptbahnhof.

Du reizt in vielen Stücken den Klang der Worte aus und verlässt zunächst die eigentliche Bedeutungsebene der Wörter. Schaffst Du damit neue Bedeutungen oder geht es Dir nur um den Klang ohne Inhalt?

Mich interessiert das Spannungsfeld zwischen Wort und Klang. Ab wann verliert ein Wort seine Bedeutung? Wie oft muss es dazu wiederholt oder gedehnt oder auseinandergenommen oder geschreddert werden? Und ab wann geht ein Klang bei mir in Resonanz und die Resonanz führt zu Gedanken, also zu Worten… Fasziniert bin ich von den individuellen Ausprägungen der Sprachmelodie, also der Intonation und der Prosodie. Daraus lassen sich dann wieder Melodien filtern. Und natürlich hat jede Sprache ihre typische Intonation. Ich habe gerade zwei Monate in Thailand verbracht und war fasziniert von der thailändischen Tonsprache. Auch springe ich gerne assoziativ zwischen den Sprachen hin und her, in meinem Fall ist das neben Deutsch Englisch und Französisch. Da wird dann aus der hiprose (Hagebutte) die Hüftrose. Hagebutte ist aber auch ein schönes Wort – da ensteht bei mir sofort eine reiche Bilder- und Wortwelt dazu. Ich bin umgeben von Büchern aufgewachsen. Ich kann nicht anders 😉

Du warst mit Deinen Projekten und Konzerten schon fast in der ganzen Welt, hast Du eine Vorliebe für eine bestimmte musikalische Region?

Nicht wirklich. Aber ich war in Westafrika überwältigt von der Kraft und der Schönheit der Stimmen, gesprochen oder gesungen. Ich erinnere mich an einen Mönch in einem togoischen Kloster, der den schwärzesten Bass sprach, den ich je gehört habe. Da hätte ich hineinkriechen können vor Begeisterung. Ich weiss gar nicht mehr, WAS er gesagt hat, ich wollte nur, dass er nicht aufhört zu sprechen! Leider hatte ich an dem Tag kein Aufnahmegerät dabei.

Wie wirken fremde musikalische Stile und Traditionen auf die eigene Stimme?

Oft befreiend, weil es darin oft weniger als bei uns um Stimmideale und Virtuosität, sondern mehr um Ausdruck und Persönlichkeit geht.

Aktuell bin ich am aktivsten mit meinem Soloprogramm „im bauch der vokale“, das ich in verschiedenen Städten vorstelle.
Für den Herbst plane ich eine einmonatige Aktion zusammen mit der bildenden Künstlerin Gunhild Tuschen. Ich werde in ihrer Galerie täglich meine Komposition „G.bete 365“ aufführen und sie wird parallel dazu zeichnen. Dabei geht es uns darum, einen Zyklus des Entstehens und Vergehens über vier Wochen abzubilden, jede mit ihren Mitteln.
Vor anderthalb Jahren habe ich den Improchor Bremen gegründet. Mit ihm wird es unter anderem ein Konzert im Dunkeln geben und eine Besingung des Finanzamts am Tag der offenen Tür…
Mit dem Kasseler Schlagwerker Olaf Pyras erarbeite ich zur Zeit ein Programm nach Kompositionen von Tom Johnson.
Und dann gibt es noch Vocal Interplay! Vocal Interplay bringt Circlesinging und vokale Schwarmintelligenz in die Welt von Firmen und Organisationen, Konferenzen und Kongressen.
Und am 3./4. Mai findet in Bremen ein Workshop Vocal Interplay statt, zum Thema vokale Improvisation in der Gruppe.

* Hans-Jürgen Linke, Gabriele Hasler: Vom Crazy Wunder des Jazz zur Grande Dame des Klangs. Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Autorin: Hildegard Bernasconi

20.03.2014[/visual_toggle]

Copyright © 2013 Gabriele Hasler